Bevor 1935 die Umgehungsstraße gebaut wurde, die um den Schlossberg herum führte, mussten alle Fuhrwerke, die über die Lechbrücke und nach Oberschwaben wollten, durchs Bayertor in die Stadt. Von dort ging es mit der schweren Ladung die steile Bergstrasse hinunter zum Hauptplatz. Bis zu fünfzig Salzfuhrwerke quälten sich pro Tag durch die hohle Gasse. Für die Wagenlenker von damals war die Steigung eine echte Herausforderung. Bremsen konnten sie nur, indem sie einen Bremsschuh unter die Wagenräder schoben.
Wenn im Winter das Kopfsteinpflaster überfroren war und die Pferde mit ihren Hufen keinen Halt fanden, hallte das Fluchen der Fuhrleute von den Hauswänden. Nicht selten konnten die Kutscher ihre Gefährt nicht mehr halten und Pferd und Wagen schossen unkontrolliert die enge Häuserschlucht hinunter. Zwischen den Häusern gab es keine Möglichkeit zum Ausweichen. Wer in einem solchen Moment als Fußgänger unterwegs war, konnte nur noch beten und versuchen, sich in einen Hauseingang zu retten. Eine städtische Anordnung verlangte deshalb, dass alle Hauseingänge in der Straße tagsüber offen gehalten werden müssen. Passanten, sollten immer die Möglichkeit haben, sich mit einem Sprung in einen Hausflur retten zu können. Wie viele Fuhrwerke im Lauf der Jahrhunderte unten am Schmalzturm zerschellten und dabei Fuhrleute und Pferde in den Tod rissen, ist nicht überliefert.
Der Magistrat hatte übrigens kein Interesse daran, die Gefahrenstrecke zu entschärfen. Wenn ein Wagen zerbrach und dadurch alles Transportgut zu Boden fiel, gehörte es laut Gesetz der Stadt und durfte beschlagnahmt werden.
Der letzte folgenschwere Unfall ereignete sich am Dreikönigstag 1958. Ein Reisebus prallte gegen die Mauern. Fünf Jugendliche starben.
Da die Dachrinnen der anliegenden Häuser das Regenwasser weit in die die Straße hineinragten, bekamen die Salzkutscher an Regentagen eine kräftige Dusche. Der Aufguss von oben sorgte dafür, dass sich die gepressten Salzscheiben regelrecht in Wasser auflösten. Aber nicht nur Regenwasser kam von oben: Zahlreiche Anwohner schütteten den Inhalt ihrer Nachttöpfe auf die Straße, in der Hoffnung, dass der Regen den Unrat wegschwemmen würde. Eine Hoffnung, die nicht immer in Erfüllung ging. Meist sammelten sich die Fäkalien am unteren Ende der Straße.
Kurios übrigens, dass die Bergstraße die einzige Straße auf dem europäischen Kontinent war, bei der Linksverkehr herrschte. Das kam daher, dass die Fuhrleute ihre Zügel des Gespanns immer auf der linken Seite führten. Bei Linksverkehr konnten sie die Gehsteige benutzen.
Im Winter war die Bergstraße für Jugendliche eine beliebte Rodelbahn. Vor allem wenn bei Einbruch der Dämmerung der Verkehr der Fuhrwerke nachließ, stürzten sich die Wagemutigen auf Schlitten oder Eiskufen den Berg hinunter. „Baaaahn frei“ hieß es dann.
Text und Fotos: K. Weinstock